The Valley
Täglich versuchen dutzende Flüchtende über das Roya-Tal in den Alpen nach Frankreich zu gelangen. Viele werden dabei von der Polizei aufgegriffen und entgegen dem geltenden Gesetz nach Italien zurückgeschickt. Problem gelöst. Nicht aber für die Zivilbevölkerung der Grenzregion, die die oft minderjährigen Migrant*innen wenig später wieder im Tal antreffen, in genauso prekären Bedingungen wie zuvor. Einige Ortsansässigen reagieren: Sie politisieren und solidarisieren sich, prangern das menschenverachtende Grenzregime öffentlich an und bewegen sich dabei ein ums andere Mal an der Grenze zur Illegalität.
Die Bewohner*innen des engen Roya-Tals an der italienisch-französischen Grenze haben schon viele Geflüchtete bei dem Versuch, die Grenze unentdeckt von den Behörden zu übertreten, gesehen. Die Flüchtenden, die in Italien an Land gegangen sind, erhoffen sich, über die Alpenregion nach Frankreich zu gelangen – doch die Exekutive will diese Bewegungen unterbinden und postiert immer mehr Polizist*innen an den neuralgischen Eintrittsstellen. Um nicht aufgegriffen und nach Italien rücküberführt zu werden, weichen viele Asylsuchende dem Polizeiaufgebot über die höherliegenden, aber auch gefährlicheren Bergpässe aus – nicht wenige finden so den Tod.
Um diesen Missstand nicht länger tatenlos mitansehen zu müssen, findet sich eine Gruppe engagierter ortsansässige Bürger*innen zusammen, die die Flüchtenden bei sich aufnehmen und Transportmöglichkeiten nach Frankreich organisieren. Dabei bewegen sie sich selbst ständig an der Grenze zur Illegalität und riskieren Anzeigen bis hin zu Haftstrafen.
Was die solidarischen Talbewohner*innen in The Valley von anderen Helfer*innen in den Augen des Regisseurs Nuno Escudeiro unterscheidet, sei die Tatsache, dass diese die problematische Situation in der Grenzregion nicht im Stillen regeln, sondern unrechtmäßiges Handeln von Seiten der Autoritäten offen anprangern: „Was die Menschen im Roya-Tal sagen, ist folgendes: Es gibt Gesetze und Verfahren, die es den Menschen erlauben, ihre Legalisierung in einem Land zu beantragen. Wir wollen, dass diese auch korrekt angewandt werden.“ (Escudeiro in Gianera 2019) So legen die Aktivist*innen Einspruch ein bei negativen Asylentscheiden, machen auf die Berücksichtigung des Dubliner Abkommens aufmerksam und decken Fehlhandlungen auf – und das vor laufenden Kameras und mit der Unterstützung eigener Anwälte.
The Valley ist ein Film über Zivilcourage, über Solidarisierungs- und Politisierungsprozesse von Bürger*innen und dabei zugleich eine Kritik an der zunehmenden Menschenrechtswidrigkeit des europäischen Grenzregimes, seiner Institutionen, Praktiken und Diskurse. „The migrants who cross the border are not criminals, they are simply knocking at our door“, beschreibt einer der Aktivist*innen seine Position. Diese humanitäre Grundeinstellung ist es, die viele Geflüchtete in Europa vermissen: „Love thy neighbour. That’s a fundamental principle but many people don’t realize it. Aside from what we endure as foreigners or as migrants in Europe, we also observe a lack of love. A lack of love, even between Europeans. That’s what destabilizes the whole of humanity.“
Statement
„Die Menschen im Roya-Tal an der italienisch-französischen Grenze hatten eine andere Herangehensweise. Dort haben sich Helfende dazu entschlossen, mit dem Problem an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie wollten, dass die Menschen darüber sprechen, anfangen zu diskutieren. Diese Herangehensweise hat mich fasziniert.“
*Gianera, Valentina: „Interview mit Nuno Escudeiro ‚Natürlich brauchen wir Anwälte'“. In: barfuss.it, 15.04.21, online
Nuno Escudeiro
*1986 Tomar, Portugal. Studium der Medienwissenschaften an der Universität Aveiro und Dokumentarfilmregie an der ZeLIG Schule für Dokumentarfilm, Fernsehen und neue Medien in Bozen.
Credits
Regie Nuno Escudeiro
Kamera Nikolaus von Schlebruegge
Editor Beatrice Segolini
Sound und Musik David Argl
Buch Nuno Escudeiro und Moritz Bonatti
Produktion Andreas Pichler, Luc Marth-Gousset, Valerio B. Moser
Co-Produktion Miramonte Film und Point du Jour mit Public Sénat, Arte G.e.Le.