Futur Drei
Faraz Shariat | DE 2020 | 92 min
„Wir sind die Zukunft“, skandieren die Protagonist:innen im autobiografischen Spielfilmdebüt Futur 3 von Faraz Shariat. In der deutschen Kleinstadt Hildesheim treffen zwei Generationen und deren jeweiliger Bezug zum (einstigen Heimatland) Iran aufeinander: die Eltern, die sich ihr Leben in Deutschland hart erarbeitet haben und sich auch nach 30 Jahren nicht richtig beheimatet fühlen, sowie ihr in Deutschland geborenes und aufgewachsenes Kind Parvis, der als queerer Millennial den Wohlstand der Eltern genießt und durch die Bekanntschaft mit einem eben erst nach Deutschland geflüchteten iranischen Geschwisterpaar seine eigenen Identitätsbezüge auslotet.
Seiner Privilegien als deutscher Staatsbürger wird sich Parvis erst bewusst, als er, nach einem Ladendiebstahl zu Sozialstunden in einer Geflüchtetenunterkunft verdonnert, auf Amon und Bana trifft und sich mit ihnen anfreundet. Dabei erlebt Parvis neben Momenten des unbeschwerten, jugendlichen Partymachens ihre strukturelle Unfreiheit, die Unsicherheit ihres Aufenthalts und ihre Zukunftsängste mit. Während Parvis an sich selbst feststellt: „Ich glaube, ich bin viele Dinge“, ruft Amon ihm in Erinnerung, dass anderen dieser Luxus nicht vergönnt ist: „Wie gut, dass du dich nicht entscheiden musst“. Für Bana ist die eigene Zukunft – wenn es denn diese Zeitform gäbe – ein Futur 3, ein Futur der (längst vergangenen) Vergangenheit, denn Deutschland zwinge sie dazu, „alles immer doppelt zu erleben: Als die, die ich hätte sein können, und die, die ich heute bin.“
Zwischen stilistischer Überhöhung, spürbarer Inszenierung und Improvisation ist Futur 3 eine Momentaufnahme und Meditation des gemeinschaftlichen Gefühls einer jungen, postmigrantischen Generation über geografische und lebensweltliche Grenzen hinweg, geprägt von Sensibilität, Ästhetik, Popkultur und Schnelligkeit (vgl. Zusammen im Dazwischen: Ein Gemeinschaftsinterview mit Faraz Shariat (Regie, Buch & Produktion), Raquel Molt (Casting), Paulina Lorenz (Buch & Produktion), Friederike Hohmuth (Schnitt), Jakob Hüffell (Musik) und Klara Mohammadi (Kostüm); salzgeber.de)
Director’s statement
“„Futur Drei“ zieht seine Kraft aus all den schillernden, geistreichen und intensiven Begegnungen innerhalb Communities von PoC in Deutschland sowie aus der diskriminierenden Abwesenheit und/oder Miss- und Unterrepräsentation ebenjener in fast allen deutschen Filmen, denen ich bisher begegnet bin. Fast täglich werde ich von weißen deutschen Menschen gefragt, woher ich komme, wie lange ich schon hier bin. Ein Grund dafür ist meiner Meinung nach die Haltung vieler deutscher Bildproduktionen und der Zugriff auf unsere Geschichten. Denn: Unsere Geschichten und die unserer Eltern werden als Migration erzählt. Doch zwischen Formulierungen wie Integrationskomödie und Familiendrama werden sie immer wieder reduziert: zu Pointen multikultureller Versöhnung oder romantischen Darstellungen einer bedrohten Heimat. Als selbstbestimmtes, aktivistisches Popcorn-Kino will „Futur Drei“ hierfür eine entschlossene wie vielstimmige Opposition bieten und ein Angebot für faires und ehrliches deutsches Kino schaffen.” (Faraz Shariat)
Faraz Shariat
*1994. Deutscher Filmregisseur und Drehbuchautor, Studium der Szenischen Künste an der Universität Hildesheim, postmigrantische Erlebnisse sind im Zentrum seiner Arbeiten. Futur 3 ist sein erster Langspielfilm.